Ziel
Unter dem Angebot der Instrumente in Ableton Live findet sich zwar kein Granular-Synthesizer als solcher, doch lässt sich mit wenigen Handgriffen Lives Sampler in ein simples Granular-Instrument umwandeln. Obwohl die Möglichkeiten zur Klangverformung und typische Grain-Parameter eingeschränkt bleiben, eignet sich diese Methode dennoch gut, um mit der Funktionsweise und Klanglichkeit von Granularsynthese vertraut zu werden. Ein etwas komplexeres Granular-Instrument für Max-for-Live ist Robert Heinekes “Granulator”: www.ableton.com…
In diesem Tutorial wollen wir Ableton Lives Sampler in einen einfachen Granular-Synthesizer umwandeln und anhand dessen die Basics von Ganularsynthese erklären.
1. Einführung
Granularsynthese ist eine weit verbreitete Methode der Klangerzeugung, die in den meisten Fällen auf der Resynthese von Audiosamples basiert. Das Sample wird dabei in sehr kurze Klangschnipsel zerlegt – sog. “Grains” -, die anschließend durch Überblendung und Überlagerung zu einem kontinuierlich wirkenden Klang neu zusammengesetzt werden. Die Methode ist vergleichbar zu einem Animationsfilm, der durch eine schnelle Abfolge von Einzelbildern einen flüssigen Ablauf vortäuscht. Die Klangteilchen oder Grains sind üblicherweise nicht länger als 50 Millisekunden und klingen einzeln gehört wie kurze Klicks. Überlagert, gefadet und neu zusammengesetzt ergeben sie jedoch komplexe, modulierbare Texturen und werden als eigenständiges Klangereignis wahrgenommen. Pads, Soundscapes und Drones sind typische Beispiele von Klängen, die mit Granularsynthese erzeugt werden können.
Gegenüber dem herkömmlichen Abspielen von Samples bietet Granularsynthese den Vorteil, dass die Abspielgeschwindigkeit unabhängig von der Tonhöhe verändert werden kann. Erzielt wird dies durch extrem kurzes Looping, indem einzelne Grains mehrfach wiederholt werden. Diese Methode wird als Time-Stretching bezeichnet. In extremer Form können damit Klänge sogar regelrecht “eingefroren” werden.
Granularsynthese basiert auf Gabors Theorie zur Klanganalyse und wurde von Iannis Xenakis Anfang der 70er Jahre erstmals kompositorisch angewendet. Technisch realisiert wurde das Verfahren damals, indem Tonbänder in winzige Abschnitte zerteilt und anschließend neu zusammengesetzt wurden. Mitte der 70er Jahre stellte der Komponist Curtis Roads weitere Forschungen an und experimentiere mit computergenerierten Modellen, die auf granularen Techniken basierten. Aufgrund der Komplexität und nötigen Rechenleistung sollte Granularsynthese jedoch erst in den 90er Jahren dem breiten Musikmarkt zur Verfügung stehen. Populäre Software-Synthesizer, die zumindest teilweise mit Granularsynthese arbeiten, sind “Reaktor” und “Absynth” von Native Instruments oder “Alchemy” von Camel Audio.
Die wichtigsten Parameter von Granularsynthese sind:
– Grain-Dichte: Die Anzahl der Grains pro Sekunde. Je mehr Grains pro Sekunde abgespielt werden, desto fließender und flächiger ist in der Regel der Klangeindruck. Je mehr Grains, desto mehr Rechenleistung muss aufgebracht werden.
– Grain-Dauer: Die Länge eines einzelnen Grains, üblicherweise zwischen 10 und 50ms.
– Abspielgeschwindigkeit: Kann variierten zwischen 0% (“freezing”), 100% (normale Abspielgeschwindigkeit), 200% und mehr.
Zudem bieten manche Synthesizer, wie z.B. Absynth, verschiedene Random-Funktionen, mit denen einzelne Parameter wie Grain-Dichte oder Grain-Dauer durch Zufallsfunktionen beeinflusst werden können.
2. Projekt erstellen und Sampler auswählen
Wir erstellen in Ableton Live ein neues Projekt.
Im Instrumenten-Ordner wählen wir den Sampler aus und ziehen ihn per Drag&Drop nach unten in die leere, graue Fläche.
3. Sample auswählen
Wir wählen ein beliebiges Sample aus und ziehen es per Drag&Drop in die leere, schwarze Fläche des Samplers.
Sofern unser MIDI-Keyboard korrekt angeschlossen und eingeschaltet ist, sollten wir das Sample jetzt abspielen können. Unter “Voreinstellungen” haben wir gegebenenfalls Zugriff auf die MIDI-Einstellungen.
4. Loop-Region erzeugen
Als Sustain Mode wählen wir “Loop” aus (1).
Wir können nun mit den Pfeilsymbolen eine Loop-Region erzeugen. Der linke Pfeil definiert den Anfang des Loops und der rechte Pfeil dessen Ende. Mit gedrückter Maustaste auf eines der beiden Pfeilsymbole können wir die Marker verschieben (2).
Die beiden anderen Pfeiler am Anfang und am Ende des Samples bestimmen von wann bis wann das Sample vor und nach dem Loop abgespielt werden soll. Diese Marker können wir für den Moment noch außer Acht lassen (3).
Wenn wir eine MIDI-Taste betätigen, sollte das Sample zunächst von Anfang an normal abgespielt werden und dann ab dem definierten Bereich geloopt werden. Dieser markierte Bereich entspricht einem Grain und die Länge der Loop-Region entspricht der Grain-Dauer. Da bei Granularsynthese die Dauer eines Grains selten 50ms überschreitet, sollte die Loop-Region entsprechend kurz gehalten werden.
5. Sample scannen lassen
Momentan wird immer der gleiche Bereich unseres Samples so lange geloopt, wie wir eine MIDI-Taste drücken. Wir wollen jedoch, dass unser Sample nach und nach von dem Loop “abgescannt” wird. Mit anderen Worten: Wir wollen, dass sich die Loop-Region mit einer bestimmten Geschwindigkeit entlang der Zeitachse des Samples bewegt.
Wir begeben uns in das Modulations-Menü des Samplers und aktivieren LFO 2 (1).
Als Modulationstyp wählen wir “Sagezahn aufwärts” aus (2).
Die Modulationsrate bringen wir auf den niedrigsten Wert (0.01Hz) (3).
Als Zielparameter wählen wir “Loop Start” aus (4).
Die Intensität des Modulators bringen wir auf 100% (5).
6. Klicks reduzieren
Wir begeben uns zurück in das Sample-Menü (1).
Wenn wir jetzt das Sample abspielen, können wir hören und anhang des orangenen Cursors sehen, wie sich die Loop-Region langsam entlang der Zeitachse bewegt und das Sample abgescannt wird (2).
Um diesen Vorgang klanglich etwas fließender zu Gestalten und die Klicks zu reduzieren, bringen wir einen Crossfade ins Spiel und ziehen dessen Dauer auf das Maximum. Auch bei Granularsynthese, wie sie in den meisten Synthesizern eingesetzt wird, ist die Abrundung des Klanges durch kurze Fade-Ins und Fade-Outs der einzelnen Grains Gang und Gebe (3).
7. Parameter verändern
Um weiter mit der Funktionsweise und den Klangeigenschaften von Granularsynthese vertraut zu werden, macht es Sinn, eine Weile mit den einzelnen Grain-Parametern herumzuspielen. Wir können beispielsweise die Grain-Dauer (die Länge der Loop-Region) noch weiter verkürzen, z.B. auf 20 oder 10ms, oder einen anderen Startpunkt wählen. Es muss bei einer Veränderung der Loop-Region allerdings auch die Dauer des Crossfades jedes Mal angepasst und auf das Maximum gebracht werden.
Wenn wir zwei MIDI-Tasten, z.B. im Abstand einer Oktave, gleichzeitig abspielen, wird das Sample dennoch mit der gleichen Geschwindigkeit abgescannt, was eine der Haupteigenschaften von Granularsynthese ausmacht und zu interessanten Ergebnisen führen kann. Ferner können wir das Sample durch verschiedene andere Audiofiles austauschen, z.B. durch Field-Recordings, synthetische Klänge oder Aufnahmen von akustischen Instrumenten.
Zum Schluss sollte noch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei dieser Methode nur um eine recht primitive Form von Granularsynthese handelt, da nur ein einzelnes Grain verwendet wird und da wir nur bedingt Einfluss auf die Abspielgeschwindigkeit haben. Wesentlich flexibler ist etwa Native Instruments “Absynth”, der ein komplexeres Granular-Modell integriert hat. Im folgenden Tutorial 044 wollen wir die Basics von Granularsynthese anhand dieses Soft-Synths erklären.
Anmerkung: Als Inspiration für dieses Tutorial diente folgendes YouTube-Video von Nathan Harmer: www.youtube.com…
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